Info & Diskussion vom 12. März im Stadtteilzentrum

Enteignung vs Wohnungsbau!?

Dieser Gegensatz wurde heute vor einer Woche im Stadtteilzentrum Obstallee konstruiert, bei der Info- und Diskussionsveranstaltung zum Thema Initiative und Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung von Grund, Boden und den Wohnungsbeständen privater Großvermieter. Auffällig vor allem, wie das Schlagwort “Enteignung” die anwesenden Mitglieder der Mietergruppen aus dem Stadtteil dazu bewegen konnte, trotz ihrer ansonsten teils heftigen Kritik an Adler, ADO & Co, sich schützend vor die privaten Immobilienkonzerne zu stellen.

Mag sein, es liegt daran, dass die Riesenwelle der Mietpreissteigerungen noch nicht in dem Maße an den westlichen Stadtrand geschwappt ist, dass es allen weh tut. Vielleicht aber einfach auch, dass 40 Jahre DDR in den Köpfen der überwiegend älteren Gäste der Veranstaltung eine Zerrbild geschaffen haben, das auf “Enteignung” oder “Vergesellschaftung” nur emotionale Reaktionen zulässt. Das ging sogar so weit, dass der im Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes (GG) verankerte legale Weg einer Enteignung von Grund, Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln als “Diebstahl” bezeichnet wurde.

Trotz unterschiedlicher Positionen, ausgesprochen sachlich jedoch die Statements auf dem Podium, von Michael Prütz von der Initiative “Deutsche Wohnen & Co enteignen” und von Marcel Eupen vom Spandauer Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund AMV.

Hier erstmal die Fakten, wie sie von beiden Seiten des Pro & Contra zum Volksbegehren nicht bestritten werden: In den letzten zehn Jahren haben sich in manchen Berliner Wohngebieten vor allem innerhalb des S-Bahnrings die Kaltmieten sogar verdoppelt. Viele tausende Mieter mit geringem Einkommen wurden aus ihren angestammten innerstädtischen Wohngebieten verdrängt (sog. Gentrifizierung). So ist bei uns im Stadtteil Heerstraße seitdem ein Bevölkerungszuwachs und nahezu null Leerstand zu verzeichnen. Die im Jahr 2015 gesetzlich eingeführte sog. Mietpreisbremse hat diesen Prozess nur behutsam verlangsamt.

Die Initiative für ein Volksbegehren zur Vergesellschaftung von Grund und Boden setzt darauf, dass gerade die großen privaten Wohnungseigentümer – rund 243.000 Wohnung in der Hand der zehn “Großen”, mit mehr als 3.000 Wohneinheiten in Berlin – einen gehörigen Anteil an dieser Entwicklung tragen, und dass mit ihnen eine angemessene soziale Wohnungsversorgung zu leistbaren Mieten für viele auch zukünftig nicht gewährleistet werden kann.

Prütz führte auf, dass nicht nur die beiden für ihre Mietenpolitik berüchtigten Unternehmen Vonovia und Deutsche Wohnen sich “auszeichnen”, sondern auch die ADO Properties, deren Tochtergesellschaft ADO Immobilien die ehemaligen GSW-Bestände bei uns im Stadtteil hält und in ihren Unterlagen für Anleger ein Potenzial benennt für eine kurz- bis mittelfristige 50%ige Mietpreissteigerung in ihren Beständen.

Daher, so Michael Prütz, von der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen will man – u.a. auch um dem im Artikel 14 des GG aufgestellten Grundsatz der sozialen Verpflichtung von Eigentum gerecht werden zu können – über das Instrument der Vergesellschaftung von Grund und Boden auch einen “Rückkauf” eine “Rekommunalisierung” der privaten großen Wohnungsbestände erreichen, die danach in die Verwaltung einer noch zu schaffenden Anstalt des öffentlichen Rechts übergehen sollen. Die dafür gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung soll laut Michael Prütz gehörig unter dem Markt- bzw. Verkehrswert liegen können.

Die nicht nur nach Mitgliedern größte Interessensvertretung der Mieter, der Berliner Mieterverein, unterstützt die Initiative des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung von Grund, Boden und Wohnungsbeständen der privaten Großvermietern mit mehr als 3.000 Berliner Wohneinheiten.

Marcel Eupen vom AMV dagegen befürchtet endlos lange und Unsummen verschlingende Rechtsstreitigkeiten und stellt dem vor allem das drängende Defizit von gut 146.000 Wohnungen gegenüber, für deren schnellstmögliche Realisierung die Milliarden Euro für Entschädigungen besser eingesetzt wären. Zumal dann ja auch entsprechend eine Entlastung des Wohnungsmarktes die Folge wäre. Eupen meint sogar, dass die im Artikel 15 aufgeführte Vergesellschaftung stets eine Verhältnismäßigkeit verlangt und im Vorfeld sämtliche Möglichkeiten genutzt werden müssen um eine soziale Versorgung mit Wohnraum zu erreichen.

So ein Instrument, meint Eupen, können konkrete Kooperationsvereinbarungen mit den privaten Wohnungsgesellschaften sein, wie sie vor kurzem vom Bezirk Lichtenberg mit der Deutschen Wohnen getroffen wurden. Der Vertrag sieht vor, dass für künftige Modernisierungsvorhaben der Deutschen Wohnen in Lichtenberg der spätere Mietpreis nicht über max. 30% des Haushaltseinkommens steigen darf und dass Empfänger*innen von Transfereinkommen bis zu drei Jahren nach der Modernisierung von Mieterhöhungen ausgeschlossen sein sollen.

Unabhängig davon, wie deren Einhaltung im Einzelfall überprüft und durchgesetzt werden soll, so bleibt zumindest bzgl. der durchschnittlichen Werte von 24% des Haushaltseinkommens das in Berlin für die Miete ausgegeben wird, noch tüchtig Luft nach oben für Mietpreissteigerungen bei der Deutschen Wohnen. Und wo sollen dann die Bezieher*innen von Transfereinkommen nach der Dreijahresfrist hin, wenn dann die Mieterhöhung nach der Modernisierung ansteht?

Zumindest in der Frage hat Michael Prütz von der Enteignungs-Initiative am vergangenen Dienstag punkten können: Er setzte das vermeintliche Einlenken der Deutschen Wohnen direkt in Verbindung damit, dass den großen Wohnungsunternehmen durchaus unwohl ist, angesichts einer drohenden Enteignung und sie deshalb eher zu Zugeständnissen bereit sein könnten.

Also warum nicht für die Initiative unterschreiben? Vielleicht geht am Ende sogar beides, ein kommunales Wohnbauprogramm und eine Rekommunalisierung von Wohnungsbeständen der großen privaten Immobilienkonzerne.

Mehr Info zum Volksbegehren auf der Webseite der Initiative
Deutsche Wohnen & Co enteignen – Spekulation bekämpfen
unter: www.dwenteignen.de

Mehr Info zur Position des AMV:
• Wohnungsbauprogramm vs Enteignung
Pressemitteilung 3/2019
Kooperationsverträge zum Mieterschutz

Die Veranstaltung am vergangenen Dienstag im Stadtteilzentrum wurde gemeinsam organisiert von den Mieterinitiative der ADO-Mieter, der Interessensvertretung für Mieter  von Adler/Westgrund sowie von dem Mieterbeirat der Gewobag in der Großwohnsiedlung Heerstraße. Moderiert von Tom Liebelt vom Gemeinwesenverein Heerstraße Nord e.V.

2 Antworten zu “Enteignung vs Wohnungsbau!?”

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