Eröffnung der Lichtergalerie von Stark ohne Gewalt am Freitag

Lichter des Respekts & der Hoffnung

sei-gutIn mehreren Metern Höhe, zwischen den Bäumen an der Obstallee schweben überlebensgroße Figuren, sie bewegen sich im Wind, sie leuchten in der Nacht. Auf den Zäunen neben Staaken-Center und Gemeinwesenzentrum sind zahlreiche kleinere, quaderförmige Laternen montiert. Die Seiten der Leuchtkörper bestehen aus mit Folie bespannten Rahmen, man fühlt sich an Drachenbasteleien erinnert. Sie sind liebevoll bemalt und oft Träger von Botschaften wie: Sei gut!  Opfer = Täter, Gewalt ändert Dich, Freundschaft . . .

Gestaltet wurden die Leuchtobjekte in den letzten drei Monaten von rund 100 Mitbürger/innen, groß und klein, alt und jung aus unseren Stadtteil, angeleitet von den beiden Künstlern Sofia Camargo und Thomas E.J. Klasen. Was wir vor Ort sehen, ist ein Kunstwerk, das in Teamarbeit entstanden ist. In jeder Figur stecken die Ideen und die Energien von vielen, die im Offenen Atelier im Staaken Center, bei Aktionen im Jonahaus, KiK, GSH oder in der Grundschule am Birkenhain mitgewirkt haben. Mit einem 10 m hohen Rollgerüst wurden dann Seile von Baum zu Baum gespannt und die Figuren in luftiger Höhe montiert, ein waghalsiges Unternehmen.

Die Eröffnungsveranstaltung im STEIG

Am vergangenen Freitag wurde noch einmal der Anlass für dieses Kunstprojekt deutlich. Bei der Eröffnungsveranstaltung im Jugendzentrum STEIG trat die Gruppe behinderter Jugendlicher auf, die von den Johannitern im Gemeinwesenzentrum betreut werden. Am elektrischen Klavier der junge Mann, der vor einem dreiviertel Jahr Ziel eines gewalttätigen Angriffs geworden war, nahe dem Ort, an dem seit Freitag die Laternen leuchten.

Bürgermeister Helmut Kleebank berichtete in seiner Ansprache, wie er damals vom Vorfall erfahren hatte. Gemeinsam mit dem Behindertenbeauftragten des Bezirks war er gerade auf dem Weg nach Treptow-Köpenick, als sie die Nachricht erreichte. Sie waren geschockt und bestürzt und wollten genaueres wissen. War hier ein Mensch zur Zielscheibe geworden aufgrund seiner Behinderung? Wird hier das Quartier als gefährlicher Ort stigmatisiert? Die Beschäftigung mit dem Thema, die runden Tische, die Informationen der Polizei ergaben glücklicherweise ein anderes Bild: Staaken ist kein Gewaltschwerpunkt.

Trotzdem, ein Umdenken sei angesagt. Als Bürgermeister würde er gerne mal etwas anders tun, als immer nur Personalressourcen einsparen zu müssen. Aber das könne man eben auf Bezirksebene nicht so leicht ändern. Da sei ein landesweites Umdenken erforderlich.

Helmut Kleebank sprach daraufhin Mahdi Saleh vom Verein „Stark ohne Gewalt“ an. Das sei der Ausgangspunkt gewesen für die Lichter des Respekts, die Lichter der Hoffnung, die wir heute vor Ort hier sehen „Jeder einzelne von Euch ist ein Licht der Hoffnung, dass es mit dem Quartier aufwärts geht“.

Anthony, der seit 2 1/2 Jahren bei Stark-ohne-Gewalt ist, und Jörg, einer der Mitbegründer des Vereins vor sechs Jahren führten durch das weitere Programm im Jugendzentrum STEIG. Es folgten Danksagungen an die vielen Unterstützer. Besonders erwähnt wurde Herr Eggesberg vom Rotaryclub Spandau, der dem Verein Stark-ohne-Gewalt die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz ermöglicht hatte.

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden

Anschließend folgte ein weiterer Auftritt der Johanniter-Gruppe, das Mitmachtlied, bei dem tatsächlich der ganze Saal sich mitbewegte, und ein Flötenstück von Mariella, Phantasien von Telemann, bei denen der Saal wieder etwas zur Ruhe kam.

Es folgte die Ansprache von Raed Saleh, Fraktionsvorsitzender der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus: Raed Saleh sprach von den verschiedenen Formen der Gewalt, der rohen, der psychologischen, der verbalen Gewalt. Keine Gewalt sei zu tolerieren, weder die Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft, noch gegen Menschen, die anders als Mann und Frau seien, noch gegen Menschen mit Behinderung, Gewalt sei die Kraft der Dummen, dagegen müsse sich die Klugheit der Vielen stemmen.

Zum Abschluss der Feier, vor dem gemeinsamen Spaziergang vom STEIG zu den Lichtern in der Obstallee, warteten alle auf den Auftritt des Rappers Bonek. Kommt er nun? Kommt er nicht? Schließlich kam er doch, groß und stark, in einer schwarz-weiß-karrierten Jacke wirbelte er über die Bühne. Seine Botschaft: Baut keine Scheiße, verschwendet nicht euer Talent, es ist nicht cool, kriminell zu sein.

Danach kam Jade, ein zweiter Rapper, ein Überraschungsgast – auch für die Veranstalter. Der Versuch, das Mikro abzudrehen, misslang. „Ich grüße meine Brüder im Moabit und Plötzensee, ihr werdet nie untergehen“ skandierte er.

Auch seine Fans waren mit auf und vor der Bühne, filmten mit ihren Handys, zu Jade ergeben aufschauend. „Napoleon Bonaparte, ich geb euch ab wie Pfandflaschen, Public Enemy, Sperma schlucken“. Sorry Jade, kann man deine Texte irgendwo nachlesen? Das ging einfach zu schnell, um den Sinn zu entschlüsseln. Und Nachfragen waren nicht möglich, denn Jade und seine Fans waren nach dem Auftritt gleich wieder weg.

Die Provokation war auf alle Fälle gelungen und zeigte den schmalen Grat zwischen Respekt und Respekt. Denn jeder will Respekt für sich, für seine Art zu leben, das ist klar. Aber wer in unserer Gesellschaft auf der Verliererseite steht, muss auch mal respektlos Tabus brechen, um auf seine Lage aufmerksam zu machen. Dies zu tun, ohne sich dabei selbst ins Unrecht zu setzen, ist gar nicht so einfach.

Vor dem Marsch zur Obstallee ergriff Alexander Barunke, der Leiter des Jugendzentrums STEIG das Wort. Der eben gesehene Auftritt sei ein ganz normaler Vorfall, eine Kostprobe von dem, was er im Alltag so erlebe.

Der gemeinsame Spaziergang in die Obstallee zum Staudengarten des Parks der Kulturen wurde von Trommlern begleitet. Dort angekommen kamen noch mal Anthony und Jörg und die beiden Künstler Sofia und Thomas zu Wort, die die vielen Helfer erwähnten und berichteten, dass sie in den letzten drei Monaten hier vor Ort nur Gutes erlebt haben, dass man vieles schaffen kann, viele Herausforderungen meistern kann, wenn man sich traut.

Nach einer gemeinsamen Schweigeminute leuchteten schließlich die Lichter ringsum auf. Bei heißer Suppe im Gemeinwesenverein, mit Kinderpunsch, Musik, Lagerfeuer und vielen Begegnungen klang der Abend aus.

Das Projekt Lichter des Respekts 2014 von “Stark ohne Gewalt e.V.” wird mit Mitteln der EU, der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin im Rahmen von “Zukunftsinitiative Stadtteil” Teilprogramm Soziale Stadt unterstützt. Es wurde auf den Weg gebracht durch einen Beschluß des Quartiersrates Heerstraße Nord.

Die Veranstalter, QM Heerstraße und Stark ohne Gewalt e.V. bedanken sich darüberhinaus für die Unterstützung bei den Wohnungsgesellschaften GEWOBAG und GSW, dem Management vom Staaken-Center sowie dem Rotary-Club Berlin-Alexanderplatz.

Bericht: Matthias Bauer

Fotos: grafikbude/Michael Rexhausen

Die Lichtergalerie in der Obstallee

Auf der Eröffnungsveranstaltung im Steig

Eine Antwort zu “Lichter des Respekts & der Hoffnung”

  1. Eine tolle Aktion!
    Abgesehen davon könnten die Lichtfiguren meinetwegen immer dort hängen. Sie bringen schöne Farben auf die Straße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert